Wenn Astronauten zum ersten Mal aus dem Weltall auf die Erde blicken, macht sich ein tiefes Gefühl von Ehrfurcht in ihrer Brust breit.Sie berichten von einer nie zuvor gefühlten Verbundenheit mit unserem Planeten und empfinden plötzlich höchste Achtung für alles Leben auf Erde, das nur durch die dünne Schicht der Atmosphäre von der Unwirtlichkeit des Alls getrennt wird.
Man nennt dieses Phänomen den Overview-Effekt. Ein Begriff, den der Schriftsteller Frank White 1987 mit seinem gleichnamigen Buch über die Erfahrungsberichte verschiedener russischer und US-amerikanischer Raumfahrer etablierte.
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Obwohl er selbst noch nie im All war, ist der New Yorker Benjamin Grant ebenfalls fasziniert vom Overview-Effekt. Vor gut anderthalb Jahren begann er mit Hilfe von DigitalGlobe, einer auf Satellitenbilder spezialisierten Fotoagentur, spektakuläre Bilder unseres Planeten aus der Vogelperspektive zu veröffentlichen.
Tag für Tag zeigt uns sein Projekt Daily Overview auf Instagram die Schönheit und Komplexität der Erdoberfläche samt der von uns entwickelten Strukturen und Konstrukte.„All diese Overviews (wie ich die Bilder nenne) fokussieren sich auf Orte und Momente, in denen menschliche Aktivität die Landschaft—im Guten wie im Schlechten—verändert hat. Jeder Overview beginnt mit einem Gedankenexperiment. Ich betrachte Orte, an denen der Mensch seine Spuren auf dem Planeten hinterlassen hat und identifiziere sie (inklusive Geo-Koordinaten) anschließend", erklärt uns Grant per Mail.
„Ich glaube, es ist notwendig, diese Kräfte zu betrachten, wie sie unsere Erde formen, um besser zu verstehen, wer wir als Spezies sind—und was wir brauchen, um einen sicheren und gesunden Planeten zu erhalten", so Grant weiter.„Mir persönlich gefallen Bilder von Betriebswerken des Schienenverkehrs und große Häfen am besten. Auch nach dem Betrachten von Hunderten dieser Bilder finde ich es inspirierend, diese massiven, komplexen Systeme erfassen zu können."
„Astronauten haben die Gelegenheit, unsere Heimat in ihrer Gesamtheit wertzuschätzen, ihre Schönheit und gleichzeitige Zerbrechlichkeit zu reflektieren. Ich fühle, dass diese kognitive Veränderung auch bei mir eingetreten ist und ich hoffe, dass er unser Publikum ebenfalls inspiriert."
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„Aus der Overview-Perspektive werden wir fasziniert von hypnotisierender Eintönigkeit, überrascht von der behaglichen Gemütlichkeit einer systematischen Struktur und begeistert von lebendigen Farben."
Während uns die von Grant kuratierten Aufnahmen schon am Bildschirm ziemlich beeindruckt haben, entfalten sie auf Leinwand wohl noch mal einen besonderen Reiz.Im Rahmen der Ausstellung „Welcome to the Anthropocene" sind ausgewählte Bilder des Daily Overview noch bis zum 31. Januar 2016 im Deutschen Museum in München zu sehen.