Neulich hat mich ein Kollege darauf hingewiesen, dass ich eine Menge von Jesus lernen könne – vor allem von dessen "gesunder Ernährungsweise komplett ohne industriell verarbeitete Lebensmittel". Ich bin ein durchschnittlicher Typ, meistens ernähre ich mich genauso durchschnittlich und oft sogar ziemlich beschissen. Also beschließe ich, eine Woche lang wie der Sohn Gottes zu essen.Um sicherzugehen, dass ich damit niemandem vor den Kopf stoße, frage ich bei katholischen Freunden nach, was sie von meinem Plan halten: Keiner protestiert. Sie sagen vielmehr, dass mir das Ganze wahrscheinlich sehr gut tun werde.
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Um mich auf meine Challenge vorzubereiten, schnappe ich mir ein Rezeptbuch voll mit Gerichten, die so oder so ähnlich in der Bibel vorkommen. Als ich zu Hause die Zutaten auspacke, fällt mir auf, dass ich noch nie so gesund eingekauft habe.
So beginnt meine Woche mit dem Jesus-Speiseplan. Und falls ihr euch fragt: Nein, Jesus hat kein Besteck benutzt – also mache ich das auch nicht.Frühstück: Milch oder Joghurt, getrocknete Feigen oder Trauben, Granatapfelsaft und Honig
Am ersten Tag
Am ersten Tag genieße ich mein Frühstück auf dem Balkon und sonne mich dabei im Licht des heiligen Vaters. Ich habe das Gefühl, dass das Essen vor mir wie ein Segen von oben ist.
Gleichzeitig komme ich mir – umgeben von Lorbeerblättern und mit Dörrobst auf meinem Teller – vor wie der Durchschnitts-Instagram-Gesundheitsfreak. Ich nippe an meinem Granatapfelsaft, der in der Heiligen Schrift als Symbol der Fruchtbarkeit und des Reichtums beschrieben wird. Ich finde, dem Getränk fehlen eher Zucker und Spaß.Abendessen: gegrillter Fisch (vorzugsweise aus dem See Genezareth)Frischer Fisch schmeckt mir richtig gut, ist aber teuer und stinkt die ganze Bude voll. Normalerweise esse ich deshalb nur Dosenthunfisch, aber für Jesus mache ich natürlich eine Ausnahme. Das Ergebnis:
Obwohl ich nicht oft koche, finde ich es ziemlich einfach, einen gesäuberten Seebarsch mit Zitronenscheiben zu füllen, zu würzen und auf den Grill zu werfen. Die ganzen Gräten erhöhen das Erstickungsrisiko beim Essen aber immens.
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Am zweiten Tag
Der Kalbsfleischeintopf, den mir meine Kollegin Camilla perfekt zubereitet, stellt mich vor ein Problem: Es heißt, dass Jesus Vegetarier war und sich gegen das Töten von Tieren aussprach. So schreibt Gianfranco Nicora, ein Experte für das Alte Testament, in einem Artikel für das Bioethik-Institut der Universität Genua: Jesus lebte in einem kulturellen Kontext, in dem so etwas wie Vegetarismus nicht existierte, aber gleichzeitig werde sich im Königreich Gottes jeder vegetarisch ernähren. Ein echtes Dilemma – einerseits. Andererseits: Camillas Eintopf schmeckt verdammt lecker.
Am dritten Tag
Das Problem ist nur, dass mein besteckfreies Experiment so langsam meine Kollegen gegen mich aufbringt. So will sich beim Lunch niemand zu mir gesellen.
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Am vierten Tag
Am fünften Tag
Ich würde gerne sagen, dass ich das nicht alles auf einmal gegessen habe, aber der Salat war nach zwei Tagen endlich wieder etwas Ordentliches auf meinem Teller. Außerdem steht mir morgen eine besondere Herausforderung bevor.
Am sechsten Tag
Als ich ihr von meinem Problem erzähle, beginnt sie sofort einen Monolog darüber, wie der Teufel Jesus davon überzeugen wollte, ein paar Steine in Brot zu verwandeln und so bei seiner spirituellen Entschlackung zu versagen. Diese Geschichte macht mir Angst – und Mut.
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