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Tausende italienische Faschisten huldigen jährlich Mussolini

Jedes Jahr pilgern Tausende Faschisten in die Geburtsstadt Benito Mussolinis, um den Jahrestag seiner Machtübernahme zu feiern. Wir haben diese „Faschismus-Nostalgiker“ getroffen.

Predappio ist ein 6.000-Seelen-Dorf in der italienischen Provinz Forlì-Cesena im nord-östlichen Italien. Vor allem aber ist es der Ort, in dem Benito Mussolini 1883 zur Welt kam. Nachdem dieser zusammen mit seiner Geliebten Clara Petacci und einigen anderen ranghohen Faschisten in der Nähe des Comer Sees erschossen worden war, wurde sein Leichnam am 29. April 1945 auf der berühmten Piazzale Loreto in Mailand öffentlich aufgehängt und dann zwölf Jahre lang durchs Land geschickt, bis er 1957 schließlich wieder in Predappio landete und in der Familiengruft begraben wurde. Seitdem ist das kleine italienische Dorf eine Kultstätte des sogenannten „Nostalgie-Tourismus“ und zieht Leute an, die wehmütig an die Zeit des Faschistenregimes zurückdenken oder glauben, dass die beste aller Welten eine vom Duce beherrschte gewesen sei.

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In den 60er Jahren mussten diejenigen, die dem Grab ihre Ehre erweisen wollten, es heimlich tun (denn in der Öffentlichkeit waren derartige Handlungen nicht akzeptiert), und in den 70ern war Predappio eines der Zentren der Kämpfe zwischen Faschisten und Kommunisten. Doch seit 1983, als sich in Predappio um die 5.000 Leute zur—friedlichen—Feier von Mussolinis hundertstem Geburtstag versammelten, hat sich die Gestalt der Gedenkfeiern (und damit auch die Art des Gedenkens, bei dem es zu keinen Kämpfe mehr kommt) verändert. In den 70ern war Italien ein Schlachtfeld zwischen Faschisten und Kommunisten, auf dem es fast täglich zu Kämpfen, Angriffen und Barrikaden kam. Diese Zeit, die direkt in den Terrorismus der 80er Jahre überging, wurde als an der Grenze zu einem Bürgerkrieg beschrieben, der Ende des Zweiten Weltkriegs ausgeblieben war.

Die drei Hauptereignisse der Feierlichkeit in Predappio sind Mussolinis Geburtstag am 29. Juli (1883), sein Tod am 28. April (1945) sowie der Marsch auf Rom am 28. Oktober (1922), der die Machtübernahme Mussolinis darstellt. Wir sind nach Predappio gefahren, um an der Feier für den Marsch auf Rom teilzunehmen.

Wie in jedem Jahr und bei jedem Jubiläum versammeln sich die Faschismus-Nostalgiker auf dem Hauptplatz von Predappio und pilgern mit einem Holzkreuz zum örtlichen Friedhof. An Mussolinis Krypta unterbrechen sie ihren Marsch, und Pater Tam hält seine Predigt: gegen Liberalismus, Kommunismus, die USA, den Islam, Chinesen und für die Rückkehr der wahren faschistischen Werte wie Gott, Heimat und Familie.

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Giorgio Frassineti ist der Bürgermeister von Predappio. Er gehört zur Mitte-Links-Koalition und schafft es ebensowenig wie seine Amtsvorgänger, den Mussolini-Tourismus in Predappio zu stoppen. Sein Vorhaben ist, das „Bild“ Mussolinis aus den Händen der Verkäufer zurückzuerobern, um über die Taten des ehemaligen Diktators zu sprechen und sich auf historische Fragen zu konzentrieren. Mit diesem Ziel vor Augen hat Frassineti bereits eine Ausstellung über „den frühen sozialistischen Mussolini“ organisiert. Ähnliche Veranstaltungen zum Zweiten Weltkrieg und zum so genannten Ventennio (weil Mussolinis Diktatur etwa zwanzig Jahre dauerte, wurde diese Zahl zum Synonym der faschistischen Ära) sind in Planung. Seit dem Beginn seiner Amtsperiode schlägt Frassineti jedoch starke Kritik entgegen, sogar von Seiten seiner Parteigenossen. Der Bürgermeister wird beschuldigt, Mussolini zu verteidigen und nichts gegen den „Nostalgie-Tourismus“ zu tun.

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