Diese Kamera verhindert, dass ihr langweilige Fotos macht
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Diese Kamera verhindert, dass ihr langweilige Fotos macht

Gleichzeitig simuliert, was passieren könnte, wenn totalitäre Regime Zensur mittels Technologie ausüben.

Warum plagen wir uns im Zeitalter der digitalen Fotografie noch immer damit, Bilder von denselben Wahrzeichen und Sehenswürdigkeiten zu machen, die unzählige Touristen seit Jahren nahezu religiös dokumentieren? Eine neue Kamera möchte dieses Problem lösen, in dem sie als eine Art Geigerzähler für unerträglich unoriginelle Fotos agiert. Mit Hilfe von Geotagging und einem cleveren Design verspricht das Gerät eure Facebook-Feeds von langweiligen Gebäude-Fotos, Brückenselfies und klischeemäßigen Ausblicken freizuhalten.

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Entwickelt hat die Camera Restricta der Stuttgarter Interaction Designer Philipp Schmitt, der seine Erfindung als „ungehorsames Werkzeug für einzigartige Fotos" beschreibt.

Die Kombination aus Smartphone, GPS und 3D-gedruckter Kamera verbindet sich mit Flickr und Panoramio, um die Anzahl an geogetaggten Bilder in einem Umkreis von zehn Quadratmetern zu bestimmen, um euch genau zu sagen, wie lame und uninspirierend euer Blickwinkel ist. Sollten schon zu viele Schnappschüsse von eurem Standpunkt aus gemacht worden sein (an einigen Orten geht es tatsächlich in die Tausende), zieht sich der Verschluss der Cam automatisch zusammen, um die Entstehung eures überflüssigen Bildes zu verhindern. Philipp hat den Prozess hier dokumentiert:

Auf einer Seite ist Schmitts Camera Restricta in erster Linie ein Spaßprojekt, das zeigt, wie dumm wir allzu oft einfach drauf los knipsen. „Nachdem die digitale Fotografie den Film ersetzt hat, ist Fotografieren im Prinzip kostenlos geworden, was dazu führt, dass wir eine unendliche Flut an Bildern produzieren."

>> Acht Handkniffe, um ein besserer Smartphone-Fotograf zu werden

Während die Camera Restricta nur ein Entwurf ist, hat Schmitt ein Script entwickelt, das alle geogetaggten Fotos innerhalb eines Gebiets findet—wie ähnlich die Bilder sind, zeigt das unten stehende Video:

Über die Kritik an der zeitgenössischen Fotografie hinaus, ist Schmidts Konzept aber auch ein Beispiel dafür, was passiert, wenn Zensur mittels der Kontrolle technischer Geräte ausgeübt wird. „Eine Zensur, die nicht erst nach, sondern bereits vor dem Knipsen des Bildes ausgeübt wird", erklärt Schmitt und weist daraufhin, dass sein Konzept nicht all zu realitätsfern ist. „Denkt daran, wie man versucht, einen Geldschein mit euren Flachbettscanner zu kopieren: es funktioniert nicht, denn die Software verhindert es."

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Was sein Konzept allerdings noch furchterregender macht, ist der jüngste Vorschlag des Europäischen Parlaments, mit Hilfe einer derartigen Technik Fotos urheberrechtlich geschützer Gebäude und öffentlicher Kunstwerke zu verhindern. Im Stile eines Whitehack-Hackers überprüft er das System auf Schwachstellen und hat einen Bug gefunden, der zu einem ästhetischen Polizeistaat führen könnte, in dem unautorisierte Fotos nicht nur strafbar, sondern vermeidbar sind. „Das muss noch nicht mal eine physische Kamera haben, die du gekauft hast", schreibt Schmitt. „Die Funktionalität könnte man auch in eine Software einbauen, um ein Smartphone in eine Camera Restricta zu verwandeln."

Die Camera Restricta, zerlegt in ihre Einzelteile