Diese Skulptur spielt mit unseren Vorurteilen: Woran erkennt man einen Terroristen?
Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung von Li Wei und Jin Jun

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Terrorismus

Diese Skulptur spielt mit unseren Vorurteilen: Woran erkennt man einen Terroristen?

Lei Weis Darstellung eines kleinen blonden Jungen hinterfragt unsere Wahrnehmung von Bedrohung und Sicherheit.

Nach einer Reihe von terroristischen Anschlägen und brutalen Angriffen auf öffentliche Orte in den vergangenen Jahren wächst bei vielen Menschen die Angst vor weiteren Gewalttaten im öffentlichen Raum. Mit seiner Skulptur Secure for Now hinterfragt der Künstler Li Wei aus Beijing, wie unsere Wahrnehmung von Sicherheit und Bedrohung sich verändert hat.

Sein Werk aus Glasfaser und Ölfarbe ist das Abbild eines blonden Kindes mit blauen Augen. Schüchtern anmutend hält das Kind die Hände hinter seinem Körper versteckt, an seiner Seite befindet sich ein kleiner weißer Hund. Der Junge wirkt ruhig, vielleicht etwas ausdruckslos—von vorne betrachtet wird die Skulptur wohl bei keinem Betrachter Unruhe auslösen. Doch der Schein trügt: Hinter seinem Rücken hält der Junge eine Granate in den Händen.

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„Katastrophen werden gewissermaßen von Menschen geschaffen", erklärt Wei gegenüber The Creators Project. „Auch eine persönliche Krise ist eine Krise. Oft sind diese persönlichen Krisen Auslöser für öffentliche Krisen. Meiner Meinung nach entsteht die echte Katastrophe, wenn das Private öffentlich wird. Die Auslöser für ein Desaster verstecken sich in den vielen kleinen Aspekten des menschlichen Lebens, doch leider können oder wollen die meisten Menschen das nicht sehen."

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 begann Wei ähnliche Katastrophen zu dokumentieren, von einem Feuer in einem Hochhaus in Shanghai im Jahre 2010 bis zum Terroranschlag  im Pariser Konzertsaal Bataclan im vergangenen November. Wei sieht zwischen  diesen verheerenden Ereignissen eindeutige Parallelen. Für den Künstler, den The Creators Project bereits 2012 porträtierte, liegen diese vor allem im chaotischen Informationsfluss. Außerdem fungieren beide Ereignisse laut Wei als ein Katalysator für die Paranoia der Menschen, die sich oft in Misstrauen gegen alles Fremde manifestiert. Mit dieser Idee spielt Wei in seinem Werk Secure for Now. Denn seiner Meinung nach werden ein kleiner Junge und sein Hund in der allgemeinen Wahrnehmung wohl kaum als bedrohlich wahr genommen. Durch seine Skulptur versucht Wei die Sichtweise auf terroristische Anschläge und ihre Verursacher zu ändern. „Einem Unglück sind Grenzen völlig egal. Und es kümmert sich auch nicht darum, ob du als wichtig oder unwichtig angesehen wirst", erklärt Wei. „Es ist schwer vorstellbar, dass die Wichtigkeit eines Unglücks anhand der Anzahl seiner Opfer gemessen werden könnte." Wei merkt an, dass weitere Methode, um das Ausmaß einer Tragödie zu messen, im Facebook Safety Check besteht. Ursprünglich soll dieses Tool Facebook-Nutzern während einer Naturkatastrophe die Möglichkeit geben, ihren Freunden mitzuteilen, dass sie sich in Sicherheit befinden. Doch während der Anschläge in Paris im vergangenen Herbst aktivierte Facebook die Funktion zum ersten Mal für ein von Menschen verursachtes Unglück. Dafür erntete der Social-Media-Gigant damals viel Kritik.

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„Nutzer konnten ihren Aufenthaltsort auf Facebook bestätigen und ihren Verwandten und Freunden somit mitteilen, dass sie sich in diesem Moment in Sicherheit befanden", erklärt Wei. „Mein Telefon lief regelrecht heiß durch die ganzen Benachrichtigungen, die mich darüber informierten, dass eine große Anzahl an Leuten für den Moment in Sicherheit waren."

Facebooks Entscheidung, die Definition von Notfallsituationen auch um terroristische Anschläge zu erweitern, passt zur allgemeinen Wahrnehmung: Mit jedem tragischen Ereignis nimmt das allgemeine Sicherheitsempfinden ab, während das Bedürfnis, Schuldige zu finden, wächst.

Hier könnt ihr euch unsere Dokumentation über Li Wei anschauen:

Li Weis erste europäische Ausstellung war vom 20.-23. Oktober beim Paris Asian Art Fair zu sehen. Secure for Now wurde außerdem beim Artissima Art Fair in Turin vom 4.-6. November ausgestellt. Weitere Informationen zu Weis Arbeiten findet ihr hier.