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Design

Ein neun Meter hoher Projection-Mapping-Totenschädel wird das Burning Man entzünden.

Wir haben die Macher Bart Kresa und Joshua Harker zum Interview getroffen und mit ihnen über die Entstehung des beeindruckenden Kunstwerks gesprochen.

Jedes Jahr gegen Ende August strömen Tausende von Menschen in die Wüste von Nevada, um die futuristische Zivilisation von Black Rock City zu formen, der Stadt des Burning Man, in der alles möglich ist. Die Brutstätte atemberaubender High-Tech-Kunstprojekte mit einer Fülle an Installationen ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Ort des Erlebens. Wie das festivaleigene Department of Public Works auf der Webseite mitteilt, ist es so „als würde man einem Blinden versuchen zu erklären, wie eine bestimmte Farbe aussieht, wollte man jemandem, der noch nie auf dem Burning Man gewesen ist, erklären, wie das Festival ist.“

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Der vielleicht beste Weg, zumindest eine ansatzweise Vorstellung des bevorstehenden Spektakels zu bekommen, ist ein Blick auf die Kunstwerke, die am 25. August in der Black Rock City Premiere feiern werden. Und da wäre allen voran der Shogyo Mujo, eine gemeinsame Installation von Künstler Joshua Harker und Designer Bart Kresa, die uns etwas an die per Projection Mapping zum Leben erweckten mexikanischen Götter erinnert. Der neun Meter hohe Projection-Mapping-Totenkopf wird unter dem diesjährigen Festival-Motto Karawanserei zu sehen sein. Beide Künstler haben das komplette vergangene Jahr an dem Kunstwerk gearbeitet–obwohl sie sich bisher nicht persönlich kennengelernt haben.

Von den 60 in Auftrag gegebenen Installationen auf dem Festival ist Shogyo Mujo vielleicht das technologisch komplexeste. Veronique Pittmann, Veranstalterin im künstlerischen und humanitären Bereich sowie Auftraggeberin und Produzentin von Shogyo Mujo auf Kickstarter erklärt: „Das Werk verbindet die Arbeit von Joshua Harker und sein tiefes Verständnis menschlicher Formen mit Bart Kresa, einem der renommiertesten und visuell fesselndsten Projection Mapper weltweit. Stundenlange künstlerische Inhalte werden jeden Teil des Totenschädels animieren und unsere Hoffnungen, Träume, Vorstellungen sowie unsere spirituelle Verbindung mit dem Universum symbolisieren.“

Begonnen hatte alles mit Harkers Originalprojekt Crania Geodesica: Illuminati, das beim mexikanischen Festival La Calaca Premiere feierte. Anlässlich des mexikanischen Tag der Toten, dem Día de los Muertos, wurde ein zweieinhalb Meter hoher Papierschädel mit einer von Harker selbst produzierten Ilustration bestrahlt. Als talentierter Multimedia-Künstler arbeitet Harker bereits seit einiger Zeit mit 2D- und 3D-Welten, forensischer Software, Projectiondesign und 3D-Druck. Sein aktuelles Kickstarter-Projekt hat derzeit die drittgrößte Summe im Bereich Kunst überhaupt akquiriert.

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Auf der anderen Seite des Projekts steht Projection-Mapping-Ausnahme-Talent Bart Kresa. Der Gründer von BARTKRESAdesign verfügt über 23 Jahre Industrieerfahrung in Illustration und technischer Leitung. Seine Firma produziert digitale Umgebungen im Großformat für architektonische Räume und arbeitet dafür mit Designerteams aus der ganzen Welt zusammen.

Mit der Unterstützung von Kresas Team wird Harkers vierstöckige Skulptur aus Musselin durch acht Projektoren auf vier Türmen mit einem 360-Grad-Projection-Mapping in Szene gesetzt. Und als wäre das noch nicht genug, wird sich das Kunstwerk selbst verbrennen, um die Freisetzung seines Geistes und die Vergänglichkeit des Lebens zu symbolisieren.

Wir haben mit Bart Kresa und Joshua Parker über Shogyo Mujo als integralen Bestandteil der Eröffnungsfeiern zum Burning Man am 25. August gesprochen.

The Creators Project: Was fandet ihr an Totenschädeln so interessant?

Joshua Harker: Sie sind einfach ein historisch faszinierendes und kraftvolles Bild. Meine Faszination für sie beruht wahrscheinlich auf der offensichtlichen Assoziation mit der Sterblichkeit… nicht auf kranke Art und Weise, sondern in Bezug auf die menschliche Erfahrung. Ich habe Jahre lang Anatomie sowohl auf künstlerischer als auch wissenschaftlicher Ebene studiert. Ich habe eine Affinität zur Schönheit des Totenschädels und seinen spezifischen, grenzenlosen Metaphern. Bei den meisten meiner Skulpturarbeiten der letzten Jahren ging es um die Umdeutung von Formen und den Einbau verschiedener Technologien als Medium. Auf diese Weise wird das Subjekt im Prozess zweitrangig, im Gegensatz zum klassischen Ansatz. Ich kann mir kein besseres plastisches Symbol als den Totenschädel vorstellen. Er ist mein Standardspielzeug geworden.

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Wie ist aus deiner ursprünglichen Installation das aktuelle Werk für's Burning Man geworden?

Ich habe die ersten Projektionen auf einem meiner Papiermodelle getestet. Die allererste Umsetzung des Werks fand dann letztes Jahr zum Tag der Toten auf dem La Calaca Festival in San Miguel De Allende in Mexiko statt. Dort habe ich Veronique getroffen und angefangen mit ihr zu arbeiten. Ich baute eine achtstöckige, flache Skulptur des Designs und machte eine Animationssequenz, die ich darauf projizierte. Als Vorbereitung auf einen möglichen Einsatz beim Burning Man habe ich den Entwurf noch mal in eine Konstruktion umgearbeitet, die auf geodätischen Scheiteln und Kanten basiert. Mit diesem neuen Design habe ich vor Kurzem einen neuen, zweieinhalb Meter hohen Totenschädel für die Skull Show der Bedford Gallery gebaut. Das Kunstwerk bestand aus sechs Millimeter großen, mit Stoff überzogenen Dübelstangen, auf die ich dann projizierte–sehr sauber. Ich habe gerade eine etwas größere, temporäre Outdoor-Installation im Carkeek Park in Seattle fertiggestellt. Sie besteht aus Stöckern, die ich in der Gegend gefunden habe. Das Stück wurde nicht überzogen und es gab auch keine Projektionen. Das nackte, geodätische Design ist sehr cool und allein eine Präsentation wert.

Bart, was war dein erster Gedanke, als du erfahren hast, dass du einen Totenschädel per 3D-Projection-Mapping in Szene setzen sollst?

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Bart Kresa: Wir projizieren normalerweise auf großdimensionale architektonische Oberflächen wie Paläste oder Stadien. Als Veronique letztes Jahr wegen des Projekts beim Burning Man auf uns zu kam, fand ich die Gelegenheit interessant, aus 360 Grad zu projizieren. Ich fand das Konzept großartig, und wir haben letztes Jahr drüber gesprochen, hatten aber nicht genug Zeit. Ich habe mich sehr gefreut, als das Burning Man das Projekt dieses Jahr genehmigt hat. Und es ist großartig, wie viel Aufmerksamkeit wir schon vor dem Festival erfahren.

Was bedeutet der Titel des Werks: Shogyo Mujo?

Joshua Harker: Er kommt von Barts Leuten. Es ist japanisch und eines der drei Zeichen des Dharma, das behauptet, dass alle Dinge vergänglich sind. Die Bedeutung könnte nicht passender sein für das gesamte Konzept des Werks, welches unseren physischen Zustand als temporäres Medium repräsentiert, durch das wir unser höheres Selbst erkennen. Die Verbrennung am Ende repräsentiert die große Erlösung des Geistes. Also, was bleibt von uns zurück, buchstäblich und im metaphorischen Sinne? Ich glaube, dass man das, was fortbesteht, irgendwo in einem Gemeinsamen von uns allen finden kann… Darum geht es in dem Kunstwerk letztendlich.

Das Konzept des Werkes ist erstaunlich vielseitig. Von den christlichen Wurzeln des Día de los Muertos bis zu den spirituellen Sehnsüchten des Burning Man wandelt es zwischen Welten, Ereignissen, Kulturen und Dogmen umher. Würdest du das Werk als 'universell' beschreiben?

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Das Konzept ist offenkundig spirituell, aber trotz des Namens basiert es nicht auf einer bestimmten Religion oder Ideologie. Ich hoffe, dass das Werk in einer Art universellen Sprache für sich selbst sprechen wird. Wenn du eine Kurzpräsentation brauchst: 'monumentales brennendes Tor zwischen vier Dimensionen'.

Bart: Ja, ich denke, die Installation ist ziemlich universell. Die Leute haben oft Angst vor Totenschädeln, aber bei Feiern wie dem Dia de los Muertos geht es um die Idee, der Gestorbenen zu denken und die gesamte Geschichte, die vor uns existiert hat, zu würdigen. In diesem Sinne kann das Konzept des Totenschädels sehr universell sein. Als Künstler hoffe ich, Leute durch die Projektion beeindruckender Bilderwelten in Frieden und Liebe zusammenzubringen.

An welcher Stelle unterscheidet sich dein Werk am meisten von Joshuas Original?

Bei dem Projekt dreht sich alles um die Zusammenarbeit. Ich liebe die Freiheit, die sowohl Josh als auch mein Team haben, um die Bilder zu entwerfen. Josh und ich skypen regelmäßig, um auf dem selben Stand zu sein, was die jüngsten Entwicklungen angeht. Er erzählt mir von seiner Arbeit an der Skulptur und ich von unseren Projektionsentwürfen.

Joshua, welche Rolle spielte Technologie bei der erstmaligen Konzeption des Werks ?

Joshua: Ursprünglich war es nur eine Übung, die Form in geometrischer Gestalt zu vereinfachen und gleichzeitig seine Identität zu wahren. Ich hatte einen sehr realistischen Totenschädel kreiert, den ich als Basismodell für meine 3D-gedruckten filigranen Totenschädel verwendete. Ich entwickelte das Modell rückwärts in eine flache geodätische Darstellung. Daraus kreierte ich ein 2D-Muster aus Papier, das ich schneiden und zurück in eine 3D-Skulptur falten konnte. Das stellte sich als extrem nützlich heraus, wenn man zwischen der virtuellen 3D-Welt und der realen hin und her springen wollte. Ich sehe diese ganze Technologie als Brücke zwischen 2D und 3D. Die Animation zum Laufen zu bringen, erlaubt es mir nun auch, mit der vierten Dimension (Zeit) zu experimentieren… vor allem wenn ich die Erfahrung eines Events oder einer Performance auf eine Installation übertragen möchte.

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Was meinst du, inwieweit digitale Technologie die Bedeutung oder den Sinn des Werkes formt?

Bart: Der Totenschädel ist unsere Leinwand. Durch die Projektion wird er lebendig. Sie fügt eine Extraebene hinzu, indem sie das Publikum mit einbezieht. Durch den Einsatz von mehreren Hochleistungsprojektoren können wir helle und bunte Bilder in hoher Auflösung projizieren und Ton und Motive der Bilder im Laufe des Events verändern. Ich denke, das Werk ist bedeutend, denn es zeigt, dass wir beeindruckende Installationen selbst in rauster Umgebung schaffen können. Eine dynamische Installation in den harten Bedingungen der Wüste für sieben Tage zum Laufen zu bringen, ist eine ziemliche Herausforderung.

Haben die Umgebung und die Ausmaße der Desert Rock City das Design des Projekts beeinflusst?

Meine Herausforderung beim Burning Man ist primär die Umgebung; wir haben haufenweise Erfahrung im Projection Mapping auf allen Arten von Architektur auf der ganzen Welt. Normalerweise arbeiten wir aber in sauberen, kontrollierten Umgebungen mit leichtem Zugang zu großen Mengen an Strom.

Joshua: Die Ausmaße und Bedingungen der Gegend haben natürlich die technischen Aspekte des Entwurfs beeinflusst, aber auch die Art und Weise, wie ich die Idee präsentiere, besonders vor einem so großen Publikum. Es hat meine Arbeit über das physische Kunstwerk hinaus dazu gebracht, eine Erfahrung zu erschaffen. Ich bewege mich somit auf einem viel größeren künstlerischen Spielplatz.

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Welche Art von Bildern werden auf den Totenschädel projiziert? Und wovon wurden diese Projektionen inspiriert?

Bart: Wir kreieren eine Vielzahl an Motiven für das Event. Von den traditionellen Illustrationen des Día de los Muertos, über dynamische Fantasy-Designs bis zu organischen Naturmotiven sowie Sachen von meinem Team, das sich aus tollen Illustratoren aus Japan, Polen und den USA zusammensetzt. Alle Designs sind speziell auf die sehr spezifischen Ausmaße und Konturen des Schädels zugeschnitten. Wir ziehen unsere Inspiration von überall her, u.a. von meinen Reisen und meinen Diskussionen mit Josh.

Auf welche Reaktion hofft ihr seitens des Publikums?

Joshua: Ich hoffe, dass es die Leute ernsthaft berührt. Und dass man die große Arbeit, die Begeisterung und den Enthusiasmus, den wir in dieses Projekt gesteckt haben, wirklich spüren kann.

Ich möchte, dass Leute, die das Werk gesehen haben, mehr als eine visuelle Erfahrung mitnehmen. Ich möchte den Menschen Dinge in einer entzückenden, überwältigenden Art und Weise darbringen, so dass sie sich größer als das Leben und winzig klein zugleich fühlen. Auf dem Burning Man geht eine Menge ab, aber ich hoffe, die mentale Kraft der Leute anzapfen zu können. Es ist der richtige Moment, Ort, Publikum und Kunstwerke, um das zu schaffen.

Bart: Ich hoffe, die Leute genießen es als eine Kunst-Installation, und empfinden gleichzeitig wahre Ehrfurcht, dass sie so etwas an einem einzigartigen Ort sehen können.

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Zum Abschluss: Ist das das Letzte, was wir von Shogyo Mujo sehen werden?

Joshua: Abwarten… es gibt bereits Gespräche über mögliche weitere Installationen mit anderen Gegenständen und Motiven. Diese hier ist aber etwas Besonders und wird einzigartig bleiben. In einem weiteren Versuch, eine Brücke zwischen 2D, 3D und 4D zu schlagen, würde ich die aktuelle physische Skulptur gerne mit Projection Mapping bespielen, während sie sich dreht. Es gibt bereits technische Überlegungen, das zu tun. Wir werden sehen, ob sich eine Gelegenheit für ein derartiges Projekt ergibt.

Bart: Ich würde gerne mit neuen Versionen von Shogyo Mujo um die Welt reisen und ähnliche Events wie das Burning Man besuchen.

>> Mehr über das Kunstwerk erfahrt ihr auf den Webseiten von Bart Kresa und Joshua Harker