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Kunst

Jake Fried kreiert die kompliziertesten Illustrationen mit Tinte, Kaffee und Tipp-Ex

Bis zu 1500 Mal bebildert Jake Fried ein einzelnes Blatt Papier. So wird aus einem Gemälde ein fast schon lebendig wirkender Organismus.

Fotos mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

Der Bostoner Trickfilmzeichner Jake Fried plant nicht voraus und arbeitet weder mit Skizzen noch mit Szenenbüchern. Er verzichtet auf die traditionellen Werkzeuge der Trickfilmzeichner und greift stattdessen zu einer Kombination aus Tipp-Ex, Gouache, Tinte und Kaffee. Mit seiner Methode zerstört und kreiert er seine eigene Arbeit gezwungenermaßen gleichzeitig. Seine Arbeitstechniken mögen ein bisschen ungewohnt sein, das Resultat ist eine Serie von „beweglichen Gemälden”, die Frieds künstlerische Instinkte direkt in die Gehirne der Betrachter leiten.

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Frieds jüngstes Werk, Brain Lapse, ist eine einminütige Reise durch Berge, Jungle und Badezimmerspiegel und besticht durch die akribischen Details, die die Fans seiner Illustrationen so sehr begeistern. In diesen 60 Sekunden stecken vier Monate Illustrieren, improvisiertes Trickfilmzeichnen und Einscannen von Einzelbildern. Diese einfachen, aber oft mühsamen Schritte verwandeln Frieds Zeichnungen in Kunstwerke; Landschaften werden im Handumdrehen zu Portraits und Portraits zu Stillleben, indem sie sich überschneiden, gegenseitig in den Schatten stellen und sich von einer Szene zur nächsten entwickeln.

Fried besteht nicht nur auf einen bestimmten Erzählstrang oder eine bestimmte Geschichte, die seine Kunstwerke erzählen, denn für ihn gilt—so erzählte er The Creators Project: Das Medium ist die Botschaft. Er versucht ein Gefühl von Vorwärtsbewegung und Verwandlung mit halsbrechender Geschwindigkeit zu vermitteln, ohne Anzeichen einer Pause oder jegliche Chance, alle Details zu bewusst wahrzunehmen. Bei früheren Arbeiten wie Headspace und Drawn Into Nothing wendete er ähnliche Techniken an, mit Brain Lapse erreichte Fried aber ein neues Level von Details und Flüssigkeit.

The Creators Project sprach mit Jake Fried über seinen künstlerischen Prozess, die Bedeutung hinter seinen Arbeiten und vor allem darüber, wieso er mit Kaffee zeichnet.

The Creators Project: Wie kam es dazu, dass du mit Tinte, Tipp-Ex und Kaffee illustrierst?
Jake Fried: Jede Animation ist auf einem extrem hochwertigen Blatt Papier gefertigt, das immer wieder eingescannt wird, während ich immer mehr Tinte, Tipp-Ex, Kaffee und andere Materialien hinzufüge. Ich arbeite schon seit Langem mit Tinte. Tipp-Ex und Kaffee verwendete ich das erste Mal, als ich begann, mit Animationen zu experimentieren. Ich muss die Oberfläche immer zuerst trocknen lassen, bevor ich ein Bild einscannen kann. So fand ich heraus, dass Tipp-Ex im Vergleich zu anderen Farben extrem schnell trocknet. Man kann außerdem einfacher darüber zeichnen und es sammelt sich weniger Farbe an, wenn ich die 1500 Bilder übereinander zeichne, aus denen ein Film produziert wrd. Ich probierte verschiedene Methoden aus und irgendwie gefiel mir die Art, wie der Tipp-Ex den Kaffee absorbierte und so interessante Flecken bildete, die die feinen Details des Stifts und der Tinte ausglichen. Im Großen und Ganzen gefällt mir aber die Vorstellung, dass meine verschachtelten, schnellen Filme mit einfachen und alltäglichen Materialien produziert werden.

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Wie weit voraus planst du deine komplizierten Landschaften deiner Zeitraffer, die sich ja immer weiterentwickeln?
Meine Filme plane ich nicht wirklich im Voraus. Erst während des Schaffensprozesses nehmen sie ihre Form an. Ich versuche zuzulassen, dass mir meine Arbeit zeigt, wohin der nächste Schritt gehen soll. Ich bin der Überzeugung, dass künstlerisches Schaffen ein „Entdeckungsprozess” sein sollte, ansonsten habe ich kein Interesse daran. Ich möchte etwas Neues lernen oder einem unbekannten Weg folgen, anstatt nur einen Plan auszuführen.

Erzählt Brain Lapse eine Geschichte?
Meine Arbeit ist nicht wirklich erzählend—das Medium ist die Botschaft—aber für mein aktuellstes Werk Brain Lapse wusste ich, dass ich mit der Idee spielen möchte, dass Bilder aufgebaut und wieder auseinander gerissen und neu konstruiert werden. Die Idee, das sich alles um dich herum bewegt und verändert. Wenn meine Arbeiten eine tiefere Geschichte erzählen, dann ist das eine  archetypische Reise—eine Art Erwachen oder Transformation.

Jedes einzelne Bild deiner Animationen ist extrem detailliert und der Wechsel vom einen Frame zum nächsten passiert sehr schnell. Welche Art der emotionalen Reaktion erhoffst du dir von deinem Publikum? 
Ich ziele nicht unbedingt auf eine bestimmte emotionale Rekation ab—mir gefiel es aber, als beispielsweise jemand meine Arbeit als „Herauslocken von Ängsten, Verwirrung und der Unmittelbarkeit des Lebens” beschrieb.

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Um die Storys in deinen Videos zu erzählen, musst du jede einzelne Schicht wieder zerstören. Welche Bedeutung hat der Prozess des „Löschens” im Hinblick auf die Gesamtbedeutung des Werks?
Ein großer Teil der Philosophie hinter diesem Werk ist die ständige Entwicklung und Veränderung—die Reise ist wichtiger, als irgendein Ziel oder ein letztes, finales Bild. Alles was davor kommt, dient als Inspiration für das, was danach kommt und so baut die Arbeit auf sich selbst auf. Ich bin unglaublich fasziniert von der Idee, dass sich ein Kunstwerk ständig verändert, als wäre es ein lebender Organismus.

Wie lange dauert es ungefähr, um ein einminütiges Video zu produzieren?
Für jeden meiner Filme brauche ich ungefähr vier Monate.

Welche anderen Illustratoren haben deinen persönlichen Stil beeinflusst? Wie sieht es mit anderen Künstlern aus, die mit Zeitraffern arbeiten?
Das wäre eine lange Liste! Ich arbeite am Museum of Fine Arts in Boston und sehe meine Einflüsse und meine Inspirationsquelle gleichermaßen in antiken ägyptischen Grabstätten und zeitgenössischer Malerei. Robert Crumbs extrem detaillierte Tintenzeichnungen haben meinen speziellen Stil definitiv beeinflusst—aber auch Philip Guston und James Ensor. Und William Kentridge sollte ich auch noch erwähnen, als Vorgänger der Zeichen- und Filmarbeiten, der ich mich widme.

Wie planst du die komplizierten Landschaften in deinen Animationen, die sich ständig weiterentwickeln?
Ich plane eigentlich überhaupt nicht voraus. Ich erstelle keine Szenenbücher, ich übe keine Skizzen und verwenden auch keine anderen Arbeiten als Vorbild—ich möchte, dass alles innerhalb des Schaffensprozesses passiert und dass es sich vor mir auf dem Blatt Papier auftut.

Wie sehen deine nächsten Schritte aus?
Ich werde einfach so weitermachen wie bisher und warte ab, wohin mich das führen wird. Ich glaube, der Wert und das Verständnis meiner einzelnen Filme wird immer größer, umso mehr Filme ich produziere. Diesen Herbst finden mehrere Screenings statt, auf die ich mich schon sehr freue und für die Zukunft sind mehr Ausstellungen geplant.

>> Schaue dir auch Frieds Vimeo-Seite oder seine Website an, um mehr seiner „bewegten Gemälde” zu sehen oder eines seiner äußerst detaillierten Prints zu kaufen.