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Popkultur

Letzte Woche fand die erste offizielle Auktion für digitale Kunst in London statt

Lest hier unseren Bericht von der Paddles ON! und seht die interessantesten der 23 versteigerten Kunstwerke.

Jeanette Hayes, Press ESC to Escape, 2014

Vergangenen Herbst fand in New York mit der Paddles ON! zum ersten Mal eine Auktion in einem der großen internationalen Auktionshäuser statt, die sich ausschließlich digitaler Kunst widmet. Organisiert und kuratiert wurde sie von Lindsay Howard, ehemalige Kuratorin bei Eyebeam und 319 Scholes. Um die 500 Kunstbegeisterte hatten sich im New Yorker Hauptquartier des Auktionshauses Phillips versammelt und 80% der Lose sowie 92% des Wertes gekauft. Es war ein einzigartiger Moment, als die aufstrebende digitale Kunst-Community mit der etablierten, auf Kunstgegenstände fixierten zeitgenössischen Kunstwelt zusammentraf.

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Vergangene Woche brachte Howard–in Kooperation mit Megan Newcome von Phillips und Annie Werner von Tumblr– die Paddles ON! dann nach London: Großbritannien hatte seine erste offizielle Auktion für digitale Kunst. Laut Paddles ON! wurden dabei 100 % der Auktionserlöse an die Künstler und Galerien ausgezahlt, während ein Teil der Kaufprämien an Opening Times, eine nicht-kommerzielle Online-Plattform, die Kunstwerke in Auftrag gibt, ging.

„Digitale Kunst ist eine echte Reflektion des aktuellen Zeitgeists“, so Howard. „Von Selbstporträts aus dem 3D-Drucker über architektonische Modelle in Google Earth und digitale Gemälden bis zu durch Algorithmen erzeugte Kunstwerke: Die Künstler untersuchen die Art und Weise, wie unsere heutigen Erfahrungen voll und ganz von digitalen Technologien geprägt werden.“

Im Londoner Aktionshaus Phillips wurden insgesamt 23 Kunstwerke von 23 Künstlern gezeigt. Ihr gemeinsamer Wert wird auf zwischen 66.000 und 126.395 Euro geschätzt. Viele der Werke haben ihren Ursprung auf Tumblr.

Als ich die Ausstellung betrat, war mein erster Eindruck, dass die Künstler der Paddles ON! mit einer benachbarten Galerie voll von Werken etablierter Künstler wie Ed Ruscha, Andy Warhol und Mark Flood konkurrieren mussten. Doch nach einigem Bummeln durch den Raum hatte ich eine Reihe von Werken entdeckt, die genau so fesselnd waren.

Mein persönlicher Favorit war TimeToDie von Dora Budor. Budor nahm zwei Acryl-Leinwände und schaffte es in Zusammenarbeit mit einem Studio für Spezialeffekte die Entwicklung der Spezialeffekte, mit denen die Blutergüsse im Film Blade Runner gemacht wurden, zurückzuverfolgen und diese Blutergüsse so auf die Acryl-Leinwände zu bringen.

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Blade Runner ist nicht nur ein außergewöhnlicher Film–er hat auch einen der besten Monologe der Filmgeschichte: Roy Battys „Tränen im Regen“-Moment, der mit den berühmten Worten „time to die“ endet. Budor hielt sie angemessen für den Titel seines Werkes, das die Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz, aber auch die Menschlichkeit, die der künstlichen Intelligenz innewohnt, einfängt.

Evan Roth, bekannter Hacker und Künstler, stellte ebenfalls ein neues Werk auf der Paddles ON! aus. Next, Next, Next beinhaltet einen menschlichen Gegenstand, den Roth an seinem iPhone fand: den öligen Rückstand, den sein Daumen beim Wischen über den Touchscreen hinterlässt. Roth vergrößerte das Bild und renderte es in Holzkohle-Pigmenten, so dass der fast unsichtbare Rückstand einen etwas transparenteren Abdruck davon ergibt, wie Menschen mit Technologie interagieren.

Sophie Kahn lieferte mit Période des attitudes passionelles eine 3D-gedruckte Skulptur eines unvollendeten und fehlerhaften Scans ihres Körpers. Kahn wollte die Auffassung, 3D-Drucker seien Motoren des komplexen Designs, widerlegen, indem sie während des Laserscans ihre Position und Haltung auf subtile Weise änderte. Die ernsthaften und faszinierenden Störsignale in der finalen Skulptur sind ein Wunder und wer auch immer zum Besitzer des Stücks geworden ist, kann nun ein tolles Exemplar der Technologie-Kunst des frühen 21. Jahrhunderts sein Eigen nennen.

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Übrigens, was wäre eine digitale Kunstausstellung ohne ein Werk von Quayola? Howard besorgte ein älteres Stück des Künstlers aus dem Jahr 2010. Es nennt sich Topologies - Tiepolo, Immacolata Concezione. Quayola schießt dafür Tiepolos The Immaculate Conception in die virtuelle Welt, in der hypnotische Sounds wie Eis knistern, als würde eine unsichtbare digitale Kraft Quayolas algorithmischen Remix in den Cyberspace hauen.

Neben Budors TimeToDie zählt Michael Staniaks IMG_885 (holographic) zu meinen Lieblingswerken. Wenn man es von der anderen Seite des Raums betrachtet, sieht das Werk tatsächlich holografisch aus. Wie eine von diesen Karten, die ein Prisma zeigen, wenn man sie vertikal dreht. Aus der Nähe betrachtet sieht das gegossene Gemälde komplett anders aus, fast wie ein Filmkorn, aber noch immer wunderschön.

Unabhängig von der Qualität der dargebotenen Kunstwerke ist die Zukunft der Paddle ON! Ausstellung und Auktion noch ungewiss. Auch wenn die gemeine Kunstwelt ohne Zweifel Notiz von den Technologie trächtigen Kunstwerken genommen hat, werden sie nicht mit demselben Eifer ausgestellt wie die Strömungen des 20. Jahrhunderts à la Dadaismus oder Surrealismus–noch nicht.

Der Vollständigkeit halber hier alle weiteren Künstler, die auf der Paddles ON! vertreten waren:: Majed Aslam, Laura Brothers, Maja Cule, Harm van den Dorpel, Jeanette Hayes, Luis Hidalgo, Sara Ludy, Jonas Lund, Michael Manning, Alexandria McCrosky, Yuri Pattison, Hannah Perry, Heather Phillipson, Harry Sanderson, Oliver Sutherland, Amalia Ulman und Yung Jake.

Dora Budor, Timetodie, 2014

Auf den folgenden Webseiten erfahrt ihr mehr über Paddles ON! London und Paddles ON Tumblr