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Nach vier Jahren ist der Turm von Babel aus Millionen von Nacktfotos endlich fertig

Die Bögen und Säulen der imaginären babylonischen Metropole bestehen aus Millionen von Körpern, die jeden Zentimeter des 12 x 3 Meter großen Fotos füllen.
ZUM VERGRÖSSERN KLICKEN. Angelo Musco, Sanctuary, 2016. Bilder mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

Dieser Artikel enthält nicht jugendfreie Inhalte.

Vier Jahre lang wurde der italienische Künstler Angelo Musco von einer nahezu biblischen Vision getrieben, die Welt zu bereisen und Aktmodelle zu fotografieren. Die so entstandenen Bilder hat er anschließend in feinster Detailarbeit zu einer riesigen, malerischen Reproduktion des Turmbaus zu Babel verarbeitet. Millionen von Körpern bilden die Säulen und Bögen einer imaginären babylonischen Metropole, die jeden Zentimeter des 12 x 3 Meter großen Fotos mit dem Titel Sanctuary füllen. Das Kunstwerk besteht aus so vielen einzelnen Bildern, dass selbst Musco den Überblick verloren hat, wie er zugibt. „Es ist unmöglich, nachzuvollziehen, wie viele Menschen auf dem 12 Meter langen Bild zu sehen sind, auf dem jeder einzelne Zentimeter mit nackten Körpern gefüllt ist“, erzählte er The Creators Project. „Ich habe den Überblick irgendwann einfach komplett verloren.“

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Musco hat für sein Projekt die Städte New York, Buenos Aires, London, Berlin und Neapel bereist, um die menschlichen Gebilde abzulichten, aus denen sich die einzelnen Türme und Gebäude zusammensetzen. Auf diese Weise vereint er die vielsprachigen Menschen aus der ursprünglichen Geschichte im Buch Genesis, die überall auf der Welt verstreut wurden. „Ich wollte mit meinem Königreich aus Türmen, die dem Turm von Babel ähneln, den Ausgang der Geschichte auf ironische Weise verdrehen. So habe ich also absichtlich nach unterschiedlichen Gruppen von Aktmodellen gesucht, die die unterschiedlichsten Sprachen gesprochen haben und aus den unterschiedlichsten Kulturen kamen.

Dafür musste ich Fotoshootings rund um den Globus realisieren“, erklärt Musco. Der Künstler hat in etlichen Fotosessions ein ganzes Heer aus Freiwilligen aus der ganzen Welt fotografiert. Die Räumlichkeiten für die Shoots vor Greenscreens haben ihm dabei örtliche Organisationen in den jeweiligen Städten zur Verfügung gestellt. „Wir haben alle zusammengearbeitet und in Frieden und Harmonie eine symbolische Gemeinschaft erschaffen, in der die Mauern nicht der Teilung, sondern dem Schutz dienen und in der die Brücken die Menschen physisch und konzeptionell verbinden. Als ich vor vier Jahren mit dem Projekt begann, war ich mir dieses propehtischen Ausmaßes bei Weitem noch nicht bewusst“, sagt der Künstler.

Angelo Musco, Sanctuary (Detail), 2016

Pieter Bruegel, Der Turmbau zu Babel, 1563, Kunsthistorisches Museum, Wien, Öl auf Leinwand. Wikimedia Commons

Als er anderen zum ersten Mal von seiner Idee für Sanctuary erzählte, waren viele aufgrund des Umfangs des Projekts zunächst skeptisch. „Als ich merkte, dass ich für das Projekt wenig Unterstützung erhielt, zweifelte ich an mir selbst und versuchte, die Idee erstmal zur Seite zu legen. Doch ich kam immer wieder darauf zurück und realisierte irgendwann, dass ich es durchführen musste, wenn ich glücklich sein wollte. Durch das Projekt hatte ich tatsächlich auch auf mehreren zwischenmenschlichen Ebenen Probleme. Es war ziemlich anstrengend, sich einem Projekt voll und ganz hinzugeben, ohne zu wissen, ob und wie es beendet und fertig gestellt werden würde“, berichtet Musco. Er entschied sich dennoch dafür und verbrachte vier Jahre damit, Modelle abzulichten, die Fototermine zu koordinieren und fast täglich 8-10 Stunden lang am PC zu sitzen und die Bilder zu bearbeiten. Ursprünglich sollte es nur der Turm von Babel werden, doch Musco wurde das Gefühl nicht los, dass etwas fehlte, und ließ gleich eine ganze Stadt entstehen.

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Das Ergebnis mutet malerisch an und erinnert an ikonische Darstellungen des Turmbaus zu Babel von Künstlern wie Hendrick Van Cleve III, Lucas Van Valckenborch oder Pieter Bruegel der Ältere, an denen sich Musco für die Entstehung seiner völlig einzigartigen Architektur orientiert hat. Tatsächlich sieht er in seinem Stil der digital zusammengesetzten Aktbilder eine gewisse Ähnlichkeit mit den Techniken der alten Meister. „Im Grunde nutze ich die Aktfotos, als wären sie die Farbe auf meinem Pinsel“, erklärt er.

Die Nacktheit der Modelle hat in diesem Fall eine besondere Bedeutung. Aufgrund von Komplikationen während seiner Geburt war Muscos Kindheit von einer Teillähmung und intensiver Physiotherapie geprägt. Da er lange Zeit besonders auf seinen eigenen Körper achten und hören musste, entwickelte er eine leidenschaftliche Faszination für den menschlichen Körper in all seinen Formen, was auch in seinem vorherigen Kunstwerk „bodyscapes“ deutlich wird. „Der Körper in seinem natürlichen Zustand wurde für mich zu einem Symbol von Schönheit und Ehrlichkeit und einem Weg, eine universelle Nachricht zu verbreiten“, erklärt er.

Das Bild wird ab dem 5. Oktober im Rahmen der Ausstellung From Here to Eternity in dem Maison Particulière Art Center in Brüssel zu sehen sein. The Creators Project durfte hier schon einen exklusiven Blick auf das fertige Werk werfen. In dem nachfolgenden Video erklärt Musco, wie er die einzelnen Arbeitsschritte während der vier Jahre koordiniert hat. „Nach vier Jahren Konzentration fühle ich mich, als würde ich schweben“, sagt er erleichtert. „Ich lasse das Werk nun frei und hoffe, es geht seinen eigenen Weg.”

Auf Angelo Muscos Website erfahrt ihr mehr über den Künstler und seine Arbeiten.