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Kunst

Reinszenierung von Otto Pienes Multimedia-Installation „The Proliferation of the Sun“ in der Neuen Nationalgalerie Berlin

Die "poetische Raumfahrt" des bekanntesten deutschen Lichtkünstlers ist noch bis zum 31. August zu sehen. Hier ein paar Impressionen der Installation.

Fotos: Johannes Hausen

„The sun! The sun! The sun! The sun!“–wie ein Mantra tönt Otto Pienes monotone Stimme durch das obere Stockwerk der Neuen Nationalgalerie. Die Originalaufnahme aus den 60er Jahren ist der akustische Part seiner Multimedia-Installation The Proliferation of the Sun (Uraufführung: 1964), die in einer Reinszenierung noch bis zum 31. August im bekannten Mies-van-der-Rohe-Bau nahe des Potsdamer Platz zu sehen ist. Täglich von 22:00 bis 03:00 Uhr tauchen die von Otto Piene handgemalten Bilder den monumentalen Raum mit wechselnder Geschwindigkeit in satte Farbtöne zwischen warmem Rot und kaltem Grün.

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Entstanden sind die Motive auf der Grundlage von Pienes künstlerischen Experimenten mit natürlichen Elementen wie Licht, Feuer und Rauch, deren abstrakte Formen der Künstler vor rund 50 Jahren mit fluoreszierenden Nitrofarben auf Glasdias festgehalten hatte. Das zu dieser Zeit hochmoderne Diakarussell, welches die Bilder erstmals mit hoher Geschwindigkeit in Dauerschleife abspielen konnte, kommt bei der aktuellen Installation aufgrund der Größe des Raumes nicht zum Einsatz. Stattdessen wurde auf die 2011 vom Kunsthaus Bremen digitalisierten Dias zurückgegriffen.

Piene hatte The Proliferation of the Sun (dt. Titel: Die Sonne kommt näher) ursprünglich für eine kleine New Yorker Off-Bühne konzipiert. Da die Installation damals nur mit Hilfe mehrerer Techniker zu meistern war, sprach Otto Piene während der Aufführung Anweisungen über ein Mikro, deren Originalaufnahmen nun im Berliner Museum abgespielt werden.

Als Gründungsmitglied der Düsseldorfer Künstlergruppe Zero suchte Piene ab 1958 nach einem weltweiten Neuanfang in der Kunst, einer „Stunde Null“, um den moralischen Ballast der Nachkriegszeit abzuschütteln. Die Konzentration auf Licht und einzelne Farben spielten in seinen Werken dabei eine große Rolle. Als Schöpfer von Lichtballetten und Lichtskulpturen in enger Zusammenarbeit mit Naturwissenschaft und Technik gilt Piene als Pionier der Lichtkunst. Für jüngere Künstler wie Olafur Eliasson oder Carsten Höller ist er eine große Inspirationsquelle.

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Die Betrachter von The Proliferation of the Sun finden sich den farbenfrohen Bildern Pienes hilflos ausgesetzt wie einem unkontrollierbaren Gedankenstrom, der mit schwankender Intensität über den Besucher hereinbricht. „Wenn ich die Augen schließe, sehe ich sehr viele Dinge“ so Piene, dessen „Bilder sich optisch, physikalisch, biologisch einstellen, aber auch aus dem Vorrat aus Millionen an Bildern stammen, die sich in meinem Gedächtnis angesammelt haben.“ Es seien „Bilder, die uns durch den Kopf wandern, bewusst, aber besonders auch unbewusst.“

Als Projektionsfläche dienen den beeindruckenden Impressionen in der Neuen Nationalgalerie nun Leinwände, ein großer Globus, die Wände des Raums sowie die Besucher der Installation selbst. Zwar befinden sich in der Mitte einladende Liegesessel, doch erschließen sich Dimension und verschiedene Perspektiven auf die Installation erst durch das Umherwandeln im Raum, so dass Teile der Projektionen bisweilen von schemenhaften Körpern verdunkelt werden oder Menschen selbst als sich bewegende Projektionsfläche auftauchen. Anders als Künstler wie Felice Varini ermöglicht Otto Piene seinen Rezipienten, statt einem Standpunkt viele verschiedene Blickwinkel auf sein Werk einzunehmen. Er kann wohl auch als Vorreiter des Projection Mappings betrachtet weden.

Sein Bestreben, Kunst in den öffentlichen Raum zu bringen, veranlasste ihn, seine Bilder auf Projektionsflächen wie Glas zu malen, damit man sie vergrößern könnte. Was die aktuelle Installation von The Proliferation of the Sun betrifft, ist sie die größte Version, die es jemals von Pienes Werk gegeben hat. Noch am 16. Juni 2014 hatte der 86-jährige Künstler an der Eröffnung der Installation teilgenommen. Einen Tag später verstarb Otto Piene während einer Taxifahrt in Berlin.

Parallel zu Proliferation of the Sun sind in der Deutschen Bank KunstHalle ebenfalls bis zum 31. Aug­ust Frühwerke von Piene wie Lichtdrucke und -grafiken, Rauchbilder und Lichtskulpturen zu sehen. Bei den Ausstellungen handelt es sich um eine Kooperation der Neuen Nationalgalerie und der Deutschen Bank KunstHalle unter dem Motto Otto Piene. More Sky.