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Kunst

Warum die Berliner Lichtgrenze mehr war als ein kitschiges Volksfest

Die 15,3 Kilometer lange Installation aus 8.000 beleuchteten Ballons wurde zum Schauplatz lebhafter Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte.

Fotos: Ralph Larmann (soweit nicht anders gekennzeichnet)

Es gibt eine Sache, die mir beim Besuch der Berliner Lichtgrenze am Wochenende besonders aufgefallen ist: Sie hat die Leute dazu inspiriert, miteinander zu reden. Ob nun Eltern mit ihren Kindern, Deutsche mit ausländischen Touristen oder Ossis mit Wessis: Viele Besucher waren ins Gespräch vertieft, während sie die Installation von Christopher und Marc Bauder entlang liefen.

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Natürlich redeten sie über Berlin, die Mauer und ihre Geschichte, erklärten, diskutierten, tauschten aus. Die Lichtgrenze hat somit genau das geschafft, was an einem Jahrestag dieser Art stattfinden sollte: Eine Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Und die Installation hat die Menschen genau an dem Ort zusammengeführt, der jahrzehntelang Menschen getrennt hat.

Foto: Websenat

Die Lichtgrenze hat durch ihre physische Präsenz in der Stadt die Dimensionen der Mauer noch einmal erfahrbar gemacht. Die 15,3 Kilometer lange Installation mit dem Fahrrad zurückzulegen, gibt dann doch einen anderen Eindruck von den Ausmaßen des Bauwerks als eine Karte mit dem ehemaligen Mauerverlauf ihn bieten kann. Inmitten der Menschenmenge an der Bornholmer Brücke Archivmaterial über den Abend der Grenzöffnung zu sehen, verlieh der Lichtgrenze etwas sehr Authentisches, die Berliner Geschichte war für einen Moment lang spürbar.

Natürlich existieren weltweit noch immer zahlreiche Mauern, deren einziger Zweck es ist, Menschen von anderen Menschen abschotten und an denen sich wohl noch viel dramatischere Szenen abspielen, als es sie an der Berliner Mauer je gegeben hat. Natürlich ist das 25-jährige Mauerfalljubiläum auch ein geeigneter Anlass, um die weltweite Aufmerksamkeit auf diese aktuellen Mauern zu lenken. Aber rechtfertigen es diese Tatsachen, den Mauerfallfeierlichkeiten und der Lichtgrenze ihre Legitimation abzusprechen?

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Sollte man nicht gerade aufgrund aktueller Ereignisse im Westjordanland oder Melilla, wo immer neue, unüberwindbare Mauern gebaut werden, an die einzige Friedliche Revolution der Weltgeschichte erinnern? In Zeiten, in denen die NATO Manöver an der russischen Grenze fliegt, sollte man sich für einen Moment mit der Tatsache auseinandersetzen, dass es 1989 russische Politiker gab, die sich für die deutsche Einheit eingesetzt haben.

Die Geschichte der Berliner Mauer hat gezeigt, dass Menschen politische Gegebenheiten ändern können. Ein Gedenken des Berliner Mauerfalls ruft uns auch diese Tatsache zurück ins Gedächtnis und schärft unser Bewusstsein, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, in einem vereinten Deutschland zu leben.

Genau darüber haben die Besucher der Lichtgrenze geredet. Für ein Wochenende haben sich die Menschen daran erinnert, dass Freiheit bis 1989 in Deutschland ein Privileg war. Mit diesem Bewusstsein sollte nun auf andere Mauern in dieser Welt geblickt werden. Es ist die Verantwortung jedes Einzelnen, diese Mauern einzureißen.