FYI.

This story is over 5 years old.

Zeitraffer

Vergesst Timelapse, vergesst Hyperlapse - so erfand Julian Tryba den Layer-Lapse

Mit seiner urbanen Ode „Boston Layer-Lapse“ hat der Flugzeugingenieur mal eben das Genre des Zeitraffers revolutioniert. Wir haben ihn zum Interview getroffen.

Fotos mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

150.000 Fotos, 6 Terrabyte Daten und 450 Arbeitsstunden benötigte Fotograf Julian Tryba, um seinen innovativen Kurzfilm Boston Layer-Lapse zu kreieren. In der Manier eines Ingenieurs verpasst er dem wohl populärsten Medium moderner Videokunst, dem Timelapse, ein neues Gewand. Seitdem nun wirklich jeder mit einem Smartphone dank der neuen Instagram-App sogar Hyperlapse-Videos produzieren kann, haben professionelle Videografen ihre Skills kontinuierlich erweitert und ihre Kunst auf ein neues Level gehoben.

Anzeige

>> Was ist der Unterschied zwischen einem Timelapse und einem Hyperlapse?

Die Layer-Lapse-Technik von Tryba ist genau der Kniff, den Künstler im heutigen Markt brauchen. Er setzt seinen Timelapse aus verschiedenen Bildbearbeitungstechniken minutiös zusammen und verwandelt die Architektur Bostons in mehrere Schichten aus Zeit und Raum. Jedes Einzelbild repräsentiert verschiedene zeitliche Phasen und lässt Wolken aufplatzen, Lichter blitzen und Fenster tanzen. „Ich erreichte einen Punkt, an dem ich mich entschloss, nicht länger das zu machen, von dem ich dachte, dass andere Leute es sehen wollten", so Tryba gegenüber The Creators Project. „Stattdessen kreierte ich, was ich für am besten aussehend hielt."

Trybas Layer-Lapse hat ihm bereits 350.000 Views auf Vimeo eingebracht und Medienecho von Laughing Squid, Gizmodo und PetaPixel. Vielleicht war es Trybas Ausbildung als Fluzgzeug-Designer, die ihn so erfolgreich werden ließ und ihm ermöglichte, den standardmäßigen Timelapse-Prozess in seine Einzelteile zu zerlegen. Vielleicht war es auch sein Anspruch, um jeden Preis originell zu sein. Wir haben Julian Tryba zum Interview getroffen und mit dem Macher des Boston Layer-Lapse über seine Arbeit gesprochen:

The Creators Project: Wie bist du zur Kunst des Timelapse gekommen? Was hat dich daran so angesprochen?

Julian Tryba: Nachdem ich die Videos The Mountain und The Midnight Sun auf Vimeo gesehen hatte, wollte ich auch Timelapses produzieren. Das Medium hatte mich wirklich inspiriert und ich fand, es war eine coole Art, die Natur einzufangen.

Anzeige

Wie kann man sich den Prozess des Planens, Drehens und Bearbeitens bei einem Layer-Lapse vorstellen?

Der Prozess beginnt mit der Suche nach einem Ort. Man läuft durch die Stadt, sucht Bilder auf Google und legt sich eine Liste an möglichen Locations an. Ich erstelle normalerweise eine Karte mit Pins auf Google Maps. Wenn ich an einen Drehort gehe, habe ich die Musik im Kopf, die manchmal beeinflusst, wie ich ein Bild schieße. Nach ein paar Stunden fahre ich wieder nach Hause und lade alle Dateien herunter (normalerweise um die 50 GB). Als Nächstes korrigiere ich mit der Software Lightroom die Farben, um die Bilder aufzupeppen. Sobald die Bildersequenz gut aussieht, importiere ich sie in After Effects, wo ich dann verschiedene Objekte oder Flächen mit einem Werkzeug für Layer Masks herausschneide. Zum Schluss passe ich die verschiedenen Ebenen der Musik des Videos an.

Was war beim Dreh von Boston Layer-Lapse die größte Herausforderung?

Die Kamera konstant zu halten und die Clips zu justieren. Ich habe an jedem Drehort ungefähr vier Stunden verbracht und die Kamera muss zwingend exakt am selben Platz stehen bleiben. Jedes Mal, wenn ich die Kamera berühre, muss ich extrem vorsichtig sein, sie absolut nicht zu bewegen. Wind ist auch sehr gefährlich. Angesichts des Chaos in Städten muss man manchmal damit klarkommen, dass jemand versehentlich in die Kamera oder gegen das Stativ läuft und einen ganzen Tag Arbeit ruiniert. Zurückblickend habe ich wahrscheinlich mehr Zeit mit missglückten Versuchen als mit der wirklichen Arbeit verbracht, die im Endprodukt zu sehen ist.

Anzeige

Wie bist du auf einen so originellen Ansatz im so gesättigten Medium des Timelapse gekommen?

Nachdem ich eine Menge Zeit mit Fehlversuchen verbracht und meine Fähigkeiten angezweifelt hatte, konzentrierte ich mich wieder darauf, warum ich überhaupt damit angefangen hatte, Timelapses zu produzieren. Ich erreichte einen Punkt, an dem ich mich entschloss, nicht länger das zu machen, von dem ich dachte, dass andere Leute es sehen wollten. Stattdessen kreierte ich, was ich für am besten aussehend hielt.

In einem Interview mit Bostinno hast du gesagt, dass du aus reiner Bequemlichkeit in Boston gedreht hast. Wie hat der Dreh deine Gefühle zur Stadt geändert?

Bequemlichkeit ist vielleicht nicht das beste Wort. Für meinen Vollzeitjob als Ingenieur bei GE Aviation musste ich nach Boston ziehen, was die Stadt natürlich zu einem bequemen Motiv für mein Video machte.

Wir verbringen die meiste Zeit unseres Lebens damit, uns von einem Moment zum nächsten zu bewegen, und es ist schwierig, mal einen Schritt kürzer zu treten und das, was um einen herum passiert, zu würdigen. Für jede Sequenz, die ich geschossen habe, verbrachte ich mehrere Stunden am selben Ort. Diese Erfahrung an einem Ort ermöglicht es dir, viel mehr der Details wahrzunehmen, die sich dort offenbaren. Ich verbringe diese Zeit damit, Licht und Schatten zu beobachten. Ich reflektiere und beobachte die Menschen, die vorbeigehen. Bei der Post-Produktion vermische ich diese vier Stunden Erfahrung in einem kurzen Clip. Wenn ich dann an die Stadt denke, sehe ich sie als einen Mix dieser Momente. Tag, Nacht, Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft.

Anzeige

Die Hyperlapse-App von Instagram und andere neue Technologien haben das Produzieren von Timelapses für jedermann möglich gemacht. Inwiefern hat sich das Medium deiner Meinung nach verändert?

Es ändert sich alles sehr schnell und wer sich nicht anpasst, bleibt auf der Strecke. Als ich damit angefangen habe, Layer-Lapses zu machen, versuchte ich eine Software zu basteln, die bestimmte Sounds aufgrund ihrer Frequenzen und Amplitude erfassen konnte. Um dann später per Gleichung die Durchlässigkeit einer Schicht auf Grundlage des ertönenden Sounds zu ändern. Ich habe es nicht hinbekommen, aber es würde mich nicht überraschen, wenn eines Tages jemand diese Art von Software baut.

Du sprichst einen wichtigen Punkt an. Ich denke, es liegt an den Timelapse-Fotografen selbst, die Kunst weiter zu entwickeln und die Grenzen kreativer Möglichkeiten zu erweitern. Anderenfalls hat das nicht viel Mehrwert für die Gesellschaft. Adobe hat gerade erst die ersten Ergebnisse einer Software vorgestellt, die die Tageszeit in einem Foto ändern kann, so dass es nun fast schon möglich ist, digitale Zeitraffer zu machen.

Hat dich deine Erfahrung als Flugzeugingenieur auch als Fotograf beeinflusst?

Ich habe meinen technischen Hintergrund definitiv benutzt, um mich selbst weiterzuentwickeln. Meine Mathematik- und Physik-Kenntnisse sind das Objektiv, durch die ich die Welt betrachte. Sie beeinflussen meine gesamten Denkprozesse. Ich sehe die Welt als 3D-Modell und meine Kamera ist ein Weg, die Welt zu digitalisieren. Vieles in unserer Wirklichkeit ist die Lösung eines komplizierten Mathematikproblems. Während ich also das selbe Endprodukt sehe wie alle anderen auch, denke ich darüber nach, was sich hinter den Kulissen abspielt. Nimm zum Beispiel eine Uhr. Jeder kann die Zeit lesen, aber zu verstehen, wie alle Zahnrädchen ineinandergreifen, wird deine Perspektive auf eine Uhr verändern.

Anzeige

Auch Einsteins Relativitätstheorie reflektiere ich in meiner Arbeit. In dem Sinn, dass jeder Gegenstand oder jede Fläche einer einzigartigen Uhr zugeordnet ist. Ich habe eine Menge über Quanten und Astrophysik gelernt, bevor ich auf die Idee für Layer-Lapses gekommen bin. Eine grundlegende Botschaft, die ich mitgenommen habe, ist: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft passieren alle gerade jetzt. Um diese Punkte der Zeit zu erreichen, muss man sehr schnell durch den Raum reisen. Mein Verstand war wahrscheinlich offener für die Idee, verschiedene Zeiten gleichzeitig zu entfalten. Das hat mich vielleicht unterbewusst zur Layer-Lapse-Idee geführt, aber das ist natürlich schwer zu sagen.

Wellen zu studieren hat natürlich auch die Art und Weise beeinflusst, wie ich Musik interpretiere und verstehe, vor allem wenn ich mit SpectraLayers (einer Audio-Software) arbeite, die Musik grafisch darstellt. Ich habe das schon erwähnt, aber früher habe ich auch versucht, Code zu schreiben, um Sounds einzufangen. Alles, was ich aus dem Scheitern daran gelernt habe, findet sich jetzt in diesem Video.

Wie haben andere Künstler deine Technik und deinen Stil beeinflusst?

Darüber wurde auf einer Menge von Websites diskutiert. Die Idee, zwei verschiedene Tageszeiten auf einem Bild auszubreiten, gibt es, seitdem es Film gibt.

Ehrlich gesagt hatten diese Fotografen keinen riesigen Einfluss auf mich, denn ich kenne sie nicht wirklich. Ich bin ein Ingenieur. Ich habe niemals Film studiert und ich gucke nicht viele Filme. Ich bin also ziemlich ungebildet, was die Filmwelt angeht. Bei diesem Ding hatte ich meine eigene Idee. Als ich dann ein paar Layer-Lapses gemacht hatte, wurde ich auf Arbeiten in einem ähnlichen Stil aufmerksam gemacht. Also will ich denen gegenüber fair sein, die vor mir da waren und sie würdigen. Von allen hatte Fong Qi Weis Time in Motion die nachhaltigste Wirkung auf mich.

Hast du als Innovator des Mediums noch andere Ideen, wohin es sich als Nächstes entwickeln könnte?

Ich würde gerne irgendwann ein virtuelles 3D-Modell einer Stadt in einen Timelapse einbauen. Es wäre cool, die echte Stadt Boston einem virtuellen 1:1-Ebenbild gegenüberzustellen. Das würde den nahtlosen Übergang von der echten in die virtuelle Welt und wieder zurück ermöglichen. Mit schwebt ein Layer-Lapse-Video vor, das dem ähnlich ist, das ich gerade gemacht habe. Aber anstatt von einem Clip zum nächsten zu schneiden, würde ich eine virtuelle Kamera benutzen, um durch die virtuelle Stadt von einer Timelapse-Location zur nächsten zu fliegen.

>> Besucht Trybas Website für weitere innovative Timelapse-Produktionen